Gemäß einer Studie von Google und IPSOS (PDF) verwenden 90 Prozent der Medienkonsumenten mehrere Endgeräte pro Tag. Computer/Laptops, Tablets oder Smartphones – je nach Zeit und Ort wird genau das Device verwendet, das in der jeweiligen Situation am praktischsten erscheint.
Dieser „Multi-Screen-Welt“ will auch Google Rechnung tragen. Daher führt das Unternehmen bei AdWords so genannte „erweiterte Kampagnen“ (enhanced campaigns) ein. Mit ihnen sollen unterschiedliche User-Situationen aus nur einer Kampagne heraus berücksichtigt werden können und so zu weniger Aufwand und mehr Erfolg führen.
Google spricht von drei Vorteilen:
- Marketing für alle Gerätetypen
- Berücksichtigung verschiedener Nutzerkontexte
- neue Conversion-Typen
Der Wechsel auf erweiterte Kampagnen ist derzeit noch optional und selbstbestimmt möglich. Mitte des Jahres stellt Google jedoch alle Konten zwangsweise um.
Erweiterte Kampagnen: Alle Endgeräte in einer Kampagne
Auf dem Weg morgens zur Arbeit nutzen User das Smartphone, tagsüber im Büro den Computer, abends auf der Couch das Tablet – der Wunsch, User in verschiedenen Situationen mit unterschiedlichen Anzeigen und Botschaften anzusprechen, ist nicht neu.
Bislang mussten dafür mehrere Kampagnen angelegt und unterschiedlich ausgerichtet werden: getrennte Kampagnen für PC/Laptop, Tablet und Mobile, für bestimmte Tageszeiten oder auch für unterschiedliche Zielregionen. Manche Accounts erreichten jedoch sehr schnell eine stattliche und dadurch wiederum schwer zu betreuende Anzahl an Kampagnen.
Dies soll mit erweiterten Kampagnen nun einfacher werden. Denn dabei sind verschiedene Aussteuerungen nach Zeit, Ort und Gerät innerhalb von nur einer Kampagne möglich.
Dies führt zu einigen Änderungen – auch und insbesondere für die Aussteuerung auf Endgeräte:
- Jede erweiterte Kampagne bedient alle Endgeräte auf einmal – Computer/PC, Laptop und Smartphones.
- Die Unterscheidung zwischen PC/Laptop und Tablet fällt weg. Dadurch müssen auf diesen Endgeräten beispielsweise zwingend die gleichen Anzeigen und Klickpreise verwendet werden. Auch eine zeitlich differenzierte Aussteuerung ist nicht mehr möglich.
- Für Smartphones sind getrennte Einstellungen möglich – jedoch nur in Relation zu den Desktop/Laptop-Einstellungen.
Diese „Erleichterung“ beraubt fortgeschrittene AdWords-Konten um einige Möglichkeiten. Nicht mehr möglich sind dadurch:
- Kampagnen nur für PC/Laptop
- Schaltungen nur auf Tablets
- Anzeigen nur auf Smartphones
Es ist kaum verwunderlich, dass gerade diese Änderungen heftig umstritten sind. Advertiser, die über Tablet oder Mobile ihre besten Ergebnisse erzielen, müssen nun auch auf Desktop schalten. Für alle Werbenden gehen wichtige Kontroll- und Eingreifmöglichkeiten verloren.
Erweiterte Kampagnen: Mobile Kampagnen
Mobile-Kampagnen erfahren die größte Veränderung:
- Jede Kampagne erfordert die Schaltung auf Desktop (und Tablet). Dadurch sind Kampagnen nur für Smartphones alleine nicht mehr möglich.
- Die Ausrichtung auf einzelne Betriebssysteme, Gerätemodelle und Anbieter fällt für Search-Kampagnen weg. Im Display-Netzwerk sind sie (derzeit) noch verfügbar.
- Gebote für Smartphones können nicht mehr absolut angegeben werden. Sie erfolgen in Prozent zu den Geboten für Desktop/Laptop. Möglich sind -100 Prozent bis +300 Prozent.
Diese Gebotsanpassung ist derzeit nur auf Kampagnen-Ebene möglich – und damit völlig falsch positioniert. Die optimale Ebene wäre (wie immer bei Bietpreisen) die Keywordebene mit einer Standard-Gebotsanpassung auf Anzeigengruppenebene. Dies soll mit den so genannten „flexible bid strategies“ jedoch erst in Zukunft kommen.
Mit einer Gebotsanpassung von -100 Prozent liegen die Gebote für Smartphones bei Null Euro, die Schaltung ist damit unterbunden. Eine Anpassung von +300 Prozent führt vorzugsweise zu Anzeigenauslieferungen auf Smartphones, schließt eine Schaltung auf PC oder Laptop aber nicht aus.
Die gleiche Unschärfe besteht bei der Steuerung von Anzeigen.
Erfolgreiche Anzeigen auf Mobilgeräten liefern häufig eine andere Botschaft als Desktop-Anzeigen aus – etwa „rufen Sie uns an“ im Gegensatz zu „bestellen Sie online“. Auch die Aufforderung „besuchen Sie unseren Mobile-Shop“ macht mit entsprechender Ziel-URL zur Mobile-Site nur auf Smartphones, nicht am PC Sinn.
Da Desktops und Smartphones aber nun aus der gleichen Kampagne (und damit mit dem gleichen Anzeigen-Set) bedient werden, ist eine eindeutige Zuweisung nötig. Deshalb kann bei jeder Anzeige eine Checkbox angehakt werden: bevorzugt für mobile Geräte.
Besagte Unschärfe ergibt sich aus dem Wort „bevorzugt“: Eine Schaltung auf Computern oder Tablets kann nicht mit Sicherheit unterdrückt werden.
Erweiterte Kampagnen: verschiedene Nutzerkontexte
Anpassungen nach Zeit und Standort folgen dem Prinzip der Bietpreise für Smartphones. Auch sie werden auf Kampagnenebene festgelegt.
- Die geografische Anpassung erfolgt wiederum über Prozentzahlen. Die Spanne liegt hier bei -90 Prozent und +900 Prozent. So können einzelne Gebiete innerhalb der Zielregion mit höheren oder niedrigeren Bietpreisen versehen werden – etwa einzelne Städte oder Bundesländer in Kampagnen, die auf ein ganzes Land ausgerichtet sind.
- Die zeitliche Anpassung wird über den Werbezeitplaner, den Nachfolger des Anzeigenplaners, vorgenommen. Bis auf 15 Minuten genau können Kampagnen aktiviert oder deaktiviert und Gebote prozentual erhöht oder verringert werden.
Alle Anpassungen – Standorte, Werbezeit und Geräte – sind nach der Umstellung auf die „erweiterten Kampagnen“ direkt von innerhalb der Kampagneneinstellungen steuerbar.
Erweitertes Conversion-Tracking
Die Erweiterungen des Conversion-Trackings sollen insbesondere Zielerreichungen nachweisbar machen, die außerhalb der derzeit typischen Online-Conversion liegen: etwa App-Downloads oder auch Anrufe, die ab einer gewissen Länge (60 Sekunden) als Conversion gezählt werden.
Für Desktop-Anzeigen können spezielle Rufnummer ausgeliefert werden, die auf die tatsächliche Firmennummer weiterleiten und die Zuordnung im Konto auf allen Ebenen sicherstellen. Als Folge davon ist die Nennung der eigenen Telefonnummer im Anzeigentext nun nicht mehr erlaubt.
Was gibt es also zu tun?
Bis Mitte des Jahres werden „erweiterte Kampagnen“ von Google automatisch eingeführt. Optional sind sie jetzt bereits möglich.
Google schreibt im offiziellen „Inside AdWords“-Blog, dass „für die Umstellung möglicherweise zunächst einige Änderungen erforderlich sind“. Doch zeigt der 32-seitige Leitfaden unter http://www.google.de/adwords/enhancedcampaigns/resources/, dass dies gerade für differenzierte Konten mit erheblichem Aufwand verbunden sein kann:
- Liegen nach Endgeräten getrennte Kampagnen vor, so sollten die Duplikate zusammengeführt werden. Hierfür wird zunächst eine primäre Kampagne definiert - in den meisten Fällen die Desktop-Kampagne. In diese wird das entsprechende Pendant integriert.
- Stimmen die Kampagnen komplett überein, so genügt eine Anpassung des mobilen Bietpreises. Weichen sie hingegen stark voneinander ab, müssen Keywordlisten, Anzeigen und Einstellungen entsprechend angepasst werden.
- Wurde bislang keine Differenzierung zwischen den Endgeräten getroffen, so kann der Switch recht einfach über die entsprechende Meldung im Konto durchgeführt werden.
Als Hilfsmittel stehen neben dem Interface, das für umfangreichere Umbauarbeiten nur eingeschränkt praktikabel ist, der AdWords Editor ab Version 10 sowie die API zur Verfügung. Weitere Tools wurden in Aussicht gestellt.
In allen Fällen ist es sinnvoll, die Umstellung zum Anlass für aktuelle Auswertungen zu nehmen – auch für Werte, die vielleicht nicht regelmäßig abgefragt werden, etwa
- Leistungsdaten zu den Endgeräten (bei Einheits-Kampagnen über „Segmente“ möglich)
- Leistungsdaten zu den Regionen (Reiter „Dimensionen“)
- zeitliche Leistungsdaten (bspw. auch über „Dimensionen“).
Erweiterte Kampagnen ändern die AdWords-Landschaft. Sie bieten die Chance, Erfahrungen und Erkenntnisse aus den bisherigen Leistungsdaten sinnvoll zu nutzen. Doch können sie auch zu überraschenden und ungewünschten Entwicklungen führen, wenn Einstellungen wie Gebotsanpassungen und Budgetverteilungen nicht bewusst durchgeführt werden.
Für den besten Erfolg ist es daher ratsam, nicht auf die Zwangsumstellung zu warten, sondern rechtzeitig selbst zu migrieren – wahlweise durch die Zusammenarbeit mit einer professionellen Agentur.